Sikorsky 76 C+ „Pesca II“

Tja, wo sollen wir anfangen zu schreiben… Hm, am besten da, wo wir aufgehoert haben. Also an dem Punkt, wo wir am Montag den 15. Juli so ueber die Biskaja schippern und es nicht bedrohlich aber sehr schaukelig finden.

Ausfahrt Biscay

Toll war es, dass uns fast den ganzen Sonntag nachmittag Delphine begleitet hatten. Immer wieder kamen neue Gruppen ans Schiff und guckten sich besonders unsere Windsteueranlage sehr interessiert an. Dazu dreht man sich dann als Delphin auch mal auf den Ruecken. Einmal sahen wir ca. 40 Delphine Thunfische jagen. Die Fische sprangen vor den Delphinen weit aus dem Wasser, darueber kreisten ein paar Moewen um ihren Anteil zu ergattern. In der Nacht auf Montag konnten wir bei moderaten Bedingungen abwechselnd schoen schlafen. Die Nacht war sternenklar und garnicht so wahnsinnig dunkel. Die erste Nacht hatten wir im Gegensatz dazu ja Nieselregen ohne Pause gehabt. In den Morgenstunden kam dann soviel Wind auf, dass wir auf ein kleineres Vorsegel, auf unsere Fock, gewechselt haben. So segelten wir weiter bis Mittags. Leider kam der Wind genau aus Suedwest und wir mussten kreuzen. Das hat uns schon sehr verstimmt. Andererseits hatten wir keine Anzeichen mehr von Seekrankheit, damit hatten wir bei den Tagen mit Flaute doch zu kaempfen gehabt (zum Glueck gibt es Vomex!). Wir riefen ueber unsere Kurzwellenenlage einen aktuellen Wetterbericht ab. Wir sollten demnach 4 bis 5 Windstaerken aus West-Sued-West bis zum Dienstag morgen bekommen. Unbequem aber auch nicht dramatisch. Kurz danach sahen wir die Fontaene eines Wales in ca. 30 m Entfernung vom Schiff. Da weiss man nicht, ob man sich wuenscht, ihn naeher zu sehen oder nicht. Aber er schien ja nicht zu schlafen, also wuerden wir nicht miteinander kollidieren … 🙂 Mitten am Montag Nachmittag tauchte vor uns eine pechschwarze Wolkenwand auf. Als wir auch noch Blitze in der Wolke zu sehen bekamen, hatten wir das Herz ziemlich tief unten in der Hose sitzen. Wir gaben unser Bestes und liefen mit 6,5 Knoten auf Halbwind-Kurs moeglichst weit vom Kern des Gewitters weg. Dennoch konnten wir ihm nicht ganz entkommen. Kurz bevor der Boeenkragen uns erwischte zogen wir schnell die Fock herunter und fierten das Grosssegel, dass inzwischen im 2. Reff eingebunden war. Es folgten ca. 15 Minuten enorm dichter Regen und ca. 7 Windstaerken. 2 Blitze krachten zwar noch weit genug entfernt von uns die See. Der zugehoerige Donner liess einem aber das Blut in den Adern gefrieren. Was fuehlt man sich klein in solchen Momenten, aber es ist ja gutgegangen! Den Rest des Nachmittages liefen wir unter Grosssegel im 2. Reff und Fock gegen den Wind die Wellenberge hoch. Der Wind hatte so weit auf West gedreht, dass wir unser Ziel La Coruna nur um 5 Grad nicht direkt anlaufen konnten. Also nicht mehr kreuzen, dass war schon super. Wir hatten ca. 3 Meter hohe Wellen, dazwischen beindruckten aber einige sehr hohe und steilere Exemplare mit leicht brechenden Wellenkaemmen. Aber unsere Aphrodite kletterte bei fast Maximalgeschwindikeit hoch am Wind brav jede Welle hoch und lief sie wieder herunter. Kein Problem also, wenn es bei solchen Wellen bleiben wuerde. Wellenhoehe ist ja aber ein Funktion aus Windstaerke, Strecke des Windes und Zeit. Wuerde die Welle mit der Zeit also noch hoeher werden? Wir riefen uber unsere Bordfunkanlage eine neue Wettermail ab und erfuhren, dass diese Bedingungen so bis zum Dienstag morgen anhalten wuerden. Danach sollte es im Laufe des Tages bis auf schwachen Wind abnehmen. Wir beschlossen, diese Nacht gemeinsam im Cockpit zu bleiben und am naechsten Tag zu schlafen. Bei dem Geschaukel war Schlafen fuer laenger als 15 Minuten einfach schwer moeglich. In der Nacht auf Dienstag blieben die Bedingungen gleich, die Wellen erschienen fast weniger. Auf keinen Fall wurden sie hoeher. Es herrschte wieder eine sternenklare Nacht und in unserem Kielwasser phosphoriszierte Plankton. Ab und zu gab es eine Gratisdusche von der Biskaja, aber das stoerte uns wenig, sollte doch am Dienstag die Sonne alles wieder trocknen. Ja, so waere dann die Nacht dahingegangen, wenn es nicht um 3:30 Uhr ein gewisses „Plopp“ gegeben haette. Wir hatten kaum etwas gehoert und noch weniger gesehen, aber irgendetwas war ploetzlich anders. Das Boot lag ruhig und vorne fehlte etwas. Wir sagten fast aus einem Munde: „Das war der Mast….“ So war es, unser Mast war heruntergekommen und hing mit dem Grossbaum ueber die Leekante. in solchem Momenten arbeitet das Gehirn doch sehr schnell und kuehl: 1. das Boot liegt stabil, 2. der Mast droht momentan nicht, uns ein Leck ins Boot zu hauen, 3. keiner von uns beiden hat etwas abgekriegt. Mit dieser blitzschnellen Bestandaufnahme gerieten wir garnicht erst in Panik, sondern taten, was getan werden musste. Eva loeste die EPIRP aus (eine Seenotfunkbake), Daniel holte den Wantenschneider, Eva installierte den Scheinwerfer im Cockpit und leuchete Daniel beim Entfernen der Verbindungen vom Mast zum Schiff, Eva schnitt die Fallen und Schoten durch und dann ging es fuer unseren Mast auf eine Reise in 2000 m Tiefe – mit dem Stander unserer Vereine „TransOcean“ und „ASV Greifswald zu Luebeck“ sowie der franzoesischen Gastlandsflagge, die wir noch nicht auf die spanische gewechselt hatten. Daniel startete dann den Motor, waehrend Eva an der UKW-Anlage einen Notruf absetzte. Nach ca. 15 Minuten kam von Daniel der richtige Einwand, dass das mit dem UKW garnicht klappen, koenne, schliesslich war ja die UKW-Antenne mit dem Mast auf Tiefe gegangen. Stimmt ja! Daniel schoss ein paar rote Signalraketen ab, da ein Schiff am Horzont sichtbar wurde, waehrend Eva die UKW-Antenne mit der Antenne vom AIS-Radar (ein spezielles UKW-Empfaengergeraet mit Antenne am Heck) austauschte und unser Handfunkgeraet klarmachte. Wir begannen ausserdem, unsere Papiere in einen wasserichten Koffer zu packen. Daniel gelang es leider nicht gut, mit dem Motor das Boot auf einen Kurs zu bringen, die Wellen waren einfach zu hoch und brechenden Kaemme drehten uns, wohin sie wollten. Fuer 100 Seemeilen haette unser Diesel sowieso nicht mehr gereicht. Ca. eine halbe Stunde spaeter war das am Horizont gesichtete Schiff bei uns. Es war auch ein Segler, den wir auf ca. 12 Meter Laenge schaetzten. Wir konnten inzwischen auch ueber UKW kommunizieren. Das Segelschiff nahm Verbindung mit der ca. 100 Seemeilen entfernten Kuestenstation auf, wir wissen nicht, auf welche Weise, denn fuer UKW ist das viel zu weit. Vielleicht hatten sie ein Satelliten-Telefon? Eva schickte in der Zeit ueber Kurzwelle eine Mail an Ihre Eltern und an unsere Freunde von der Hello World mit den Informationen: Mastbruch, keine Lebensgefahr, Position, Zeit und mit der Frage, ob unser Notruf in der Seenotleitstelle in Bremen via EPRIP aufgenommen worden war. Nach Ausloesen der EPIRP wuerden unsere Eltern sofort telefonisch informiert werden. Aber die mit der EPIRP teilt man ja nur mit, dass man mitten auf der Biskaja ein ernstes Problem hat. Und das haette ja auch eine Kenterung sein koennen. Evas Eltern kamen zum Glueck sofort auf die Idee, Mails abzurufen und waren so zum einen sofort ein gutes Stueck beruhigt und konnten andererseits auch genauere Informationen nach Bremen und an Daniels Familie weiterleiten. Waehrenddessen hatte der Segler neben uns Kontakt zur Kuestenfunkstelle aufnehmen koennen. Es selbst konnte uns aufgund der hohen Wellen nicht wirklich helfen, blieb aber bis zum Eintreffen der Seenotrettungskraefte in unserer Naehe. Leider wissen wir den Namen seines Schiffes nicht, auch die Rettungskraefte nicht. Jetzt koennen wir uns nicht persoenlich bedanken… Es war unglaublich wohltuend, dass jemand so schnell da war und in der Naehe blieb! Der Segler teilte uns ca. 1 Stunde nach dem Unglueck mit, dass ein Hubschrauber unterweg waere um uns abzubergen. Das Boot aufgeben? Hilft wohl alles nichts. 100 Meilen vor der Kueste wird uns wohl auf die Schnelle keiner abschleppen. Daniel sagte, dass wir dann ins Wasser muessten und Eva alles bitte wasserdicht einpacken sollte. Eva quittierte das erst mit einem irritierten, dann mit einem erschrockenen Blick. Wir packten dann alles, was uns am wichtigsten erschien, also Laptops, Handys, Papiere, Kamera etc. in je eine Tasche fuer jeden und warteten ab. Dann hatten wir ein bisschen Zeit zum Nachdenken. Was war eigentlich passiert, wieso haben wir den Mast verloren? Das Boot war relativ leicht durch die Wellen gegangen, da hatten wir schon andere Segeltage, wo wir viel heftiger in den Wellentaelern aufgekommen sind. War das luvseitige Oberwant gebrochen, oder das Vorstag, oder war ein Sicherungssplint gebrochen? Wir wissen es einfach nicht. Wir hatten den Mast einfach zu schnell kappen muessen, bevor er eine Gefahr fuer uns werden konnte, um genau geguckt zu haben, wo Want oder Stag gebrochen waren. Und wir hatten doch im Fruehjahr alle Wanten und Stagen erneuern lassen… Dann kam der Hubschrauber. Ueber unsere Handfunke konnten wir erst relativ spaet selbst Kontakt aufnehmen, aber der Segler neben uns gab dem Hubschrauber regelmaessig unsere genaue Position. Es wurde uns mitgeteilt, das ein Taucher zu uns runterkaeme und versuchen wuerde, direkt zu uns an Bord zu kommen. Dafuer mussten wir unseren Seezaun entfernen (der war doch auch neu…).

Sikorsky 76 C+ Einsatz

Sikorsky 76 C+ Einsatz 2

Wir strahlten mit unserem Handscheinwerfer in den Himmel als Orientierungshilfe. Der Hubschrauber liess dann neben uns einen Rettungstaucher am Drahtseil herab. Er konnte doch nicht an Bord landen, sondern kam am Drahtseil zu uns geschwommen. Verdammt, doch anbaden im Antlantik… Daniel wollte dem Taucher an Bord helfen, bekam dann aber Zeichen, dass er ins Wasser kommen solle. Es war kurz nicht klar, ob unsere Rettungswesten helfen oder stoeren wuerden. Wir zogen sie dann aus. Eva konnte also Daniel als Dummy vorschicken und in Ruhe begucken, was sie erwartete. Daniel schwamm im Wasser mit soviel Luft in den Segelklamotten, dass er aussah, wie ein Michelin-Maennchen. Er bekam sofort einen Gurt um den Brustkorb und dann ging es fuer ihn zusammen mit dem Taucher ab in die Luefte. Wie wuerde Eva das gleich wohl finden? Hoehenangst, Schwindel, Panik? Irgendwie war das Vertrauen in das Koennen der Retter uneingeschraenkt vorhanden, wir versuchten einfach, den Anweisungen zu folgen. In dem Moment, wo im Hubschrauber die Winsch angezogen wird, wird man kurz durchs Wasser gezogen. Wenn gleichzeitig eine Welle auflaeuft, bedeutet das unweigerlich einen Tauchgang. Wir machten auf diese Weise jeder 2 Tauchgaenge. Dabei fiel es uns beiden verdammt schwer, unsere Tasche festzuhalten. Der Blick nach unten auf das schnell tief zurueckbleibende Boot war krass, der Blick nach oben auch. Also Augen zu! Oben fragt man sich, wie man vom Baumeln vor dem Hubschrauber wohl in den Hubschrauber kommt. Aber da wird man dann von einem 2. Helfer reingezogen. Da sassen wir dann beide im Hubschrauber, puh! Es waren seit dem Ausloesen unserer EPIRP erst 1 Stunde und 55 Minuten vergangen und das bei genau 96 Seemeilen Abstand zur Kueste. Hut ab und vielen vielen Dank!!! Uebrigens arbeitete dieses Hubschrauberteam sogar gratis. Wir wurden in die aufgehende Sonne nach Spanien geflogen. In diesem Moment war der tolle Blick auf die auftauchende Kueste irgendwie komisch. Uns war noch nicht klar, was aus unserem Boot werden wuerde. Aber auch da war schon organisiert worden, dass ein Seenotrettungskreuzer es suchen und an die Kueste schleppen wuerde. Die Hubschrauberstation lag in Viveiro, ca. 150 km nordoestlich von La Coruna, unserem eigentlichen Ziel. Wir wurden sofort unter die heisse Dusche gestellt und bekamen trockene Sachen geliehen. Waehrend wir die Formalitaeten erledigten gab’s Kaffee und Kekse. Als wir damit fertig waren, waren unsere Sachen schon zum Trocknen aufgehaengt worden und fuer uns war eine Unterkunft besorgt worden. War das alles klasse! Es war inzwischen morgens 9 Uhr. Wir legten uns eine Stunde hin und schliefen wie Steine. Dann kauften wir im nahen Supermarkt schnell ein paar passende neue Klamotten. Wir wollten unseren Rettern nicht auf den Wecker fallen. Aber es machte unseren beiden Rettungstauchern Javier und Ruben echt Spass,

Javier und Ruben

sich um uns zu kuemmern und noch Zeit mit uns zu verbringen. Wir haben zusammen Mittag gegessen, nochmal den Hubschrauber bestaunt

Cockpit

Eva Cockpit

– eine schoene moderne Sikorsky 76 C+ mit dem Namen Pesca II- und auf Englisch und Spanisch wunderbar radebrechend Geschichten ausgetauscht.

Daniel Winde

Eva und Ruben

(Hier vielen Dank an unsere geduldigen Spanischlehrerinnen in Luebeck, Esmeralda und Lidia!). Die beiden informierten uns auch darueber, das unsere Aphrodite gegen 23 Uhr in dem 50 km entfernten Hafen Carino ankommen wuerde. Wir liehen uns ein Auto und fuhren dorthin. Wir konnten kurz vor Mitternacht unser Boot in erstaunlich gutem Zustand wiederbekommen. Klar, es war kein Mast mehr da, der Seezaun war kaputt und innen war es ziemlich feucht. Aber bis auf eine Stauchung im GFK dort, wo der Mast hingefallen war, konnten wir auf Anhieb nicht Schlimmes entdecken.

Aphrodite Rettungsboot

Bis auf die Heizung funktionierte die gesamte Elektrik und auch der Motor. Sehr gut!

Chaos und Salzwasser im Boot

Boot ohne Mast am Rettungsboot

Eva im Chaos

Nach dem Erledigen der Formalitaeten und der Angabe unsere Versicherung fuhren wir zurueck nach Viveiro in unsere Unterkunft in einem Seemannsheim. Tja, leider war die Haupttuer verschlossen in die der Zimmerschluessel nicht passte und auf die Klingel meldete sich keiner. Es war inzwischen auch 2 Uhr nachts. Wir haben dann im Mietwagen uebernachtet, wir waren so muede, dass wir auch im Stehen haetten schlafen koennen… Es war ziemlich kalt, aber nach dem Bad im Atlantik hatte Eva ihre erneute Blasenentzeundung sowieso weg. Hilft ja nichts… Heute, am Mittwoch, haben wir unser Boot genauer in Augenschein genommen und angefangen, alles zu trocknen. Wir waren auch wieder mit „unseren“ Rettern essen und Kaffee trinken.
Jetzt sitzen wir an Bord, haben Ruehrei mit Speck gegessen, die Vorkoje halbwegs trocken und koennen endlich in Ruhe schreiben, was uns in den letzten 3 Tagen so alles passiert ist.

Trocknen

Trocknen und Heizung Reperatur Versuch

Vielen Dank an alle, die sofort Hilfe angeboten haben und an uns gedacht haben, allen voraus unsere Eltern, Brit und Axel von der Hello World, Judith und Soenke von der Hippopotamus, Christian, Marlies und Felix. Uns geht es eigentlich soweit gut. Wir werden in Ruhe mit der Versicherung den Schaden klaeren und sehen, wie und wo wir unser Boot wieder mit einem Mast bestuecken koennen. Wahrscheinlich werden wir dafuer nach La Coruna unter Motor fahren. Wir geniessen Spanien trotzdem, die Sonne scheint, wir haben eine heile Haut und in La Coruna freuen wir uns schon auf das Wiedersehen mit der Hello World und der Hippopotamus. Wir wuenschen den beiden Crews genausoviele Delphine, noch mehr Thunfische und ein entspanntes Segeln!!! Wann und wohin wir am Ende weitersegeln koennen, werden wir erstmal auf uns zukommen lassen. Gerade fliegt nochmal die Pesca II auf Trainingsflug eine Runde ueber uns im Hafen, Daniel steht mit dem Scheinwerfer zum Gruss im Cockpit. Ruben hatte uns per Handy vorgewarnt, damit wir auch winken koennen. Javier sollen wir unbedingt anrufen, wenn wir in Vigo sind, seiner Heimatstadt. Es gibt doch viele Wege, nette Menschen kennenzulernen….. 🙂